Ruhrkanalbrücke Dronenaufnahme

12. Dezember 2019

Heinrich Walter Bau und SEH realisieren Erneuerung der Ruhrkanalbrücke Duisburg

Zwischen Duisburg und Mülheim, den Ruhrkanal und die L140 kreuzend, bauten Heinrich Walter Bau und SEH Engineering eine neue Eisenbahnbrücke, die für den Personen- und Güterverkehr genutzt wird, und auf der ICE-Hauptfernverkehrsstrecke Richtung Berlin liegt.

Beginn der Bauphase war im Februar 2019, in Betrieb genommen wurde die ,,Gelbe Brücke‘‘ bereits am 26.08.2019 pünktlich zum Ende der Sommerferien. Mit einer Stützweite von 134 Metern, einem Gewicht von ca. 1.600 Tonnen und bestehend aus mehr als 100 im Werk vorgefertigten Einzelteilen ist die „Gelbe Brücke“ eine der größten Stahlfachwerkkonstruktionen im Bahnbetrieb. Die aus dem Werk in Polen zur Baustelle gelieferten einzelnen Bauteile der Brücke wurden passgenau zusammengesetzt und mit Schweißnähten verbunden, bevor der Einschub an die richtige Stelle beginnen konnte. Der Brückeneinschub, für den der Schienenverkehr und sogar kurzzeitig die Schifffahrt auf der Ruhr sowie der Straßenverkehr auf der L140 eingestellt werden musste, erfolgte in millimetergenauer Arbeit. Schlussendlich konnte die Brücke nach ca. 33 Stunden Verschubvorgang an ihrer Endposition abgesetzt werden.


Herausforderungen beim Bau
Das Projekt barg einige Herausforderungen, denen sich HWB und SEH aber erfolgreich stellen konnten. Während der Sperrpause der Bahnstrecke von 42 Tagen in den Sommerferien mussten Oberleitungen und Gleise ausgebaut, Baugruben ausgehoben, ein vollflächiger Bodenaustausch in Form von unbewehrten Ortbetonpfählen hergestellt, die Widerlager verschoben, die Bestandsüberbauten ausgebaut, die Bestandswiderlager abgebrochen, die neue Brücke verschoben und die Gleisanlagen einschl. eines Schienenauszugs wiederhergestellt werden. Dabei machten eine Vielzahl von Leitungen im Baugrund den Bau besonders kniffelig. Auch die Schnittstellen mit dem Straßenverkehr galt es zu berücksichtigen. Trotz dieser erschwerten Bedingungen konnte der Zeitplan eingehalten werden.


Bauablauf & Meilensteine 
1.    Aufstellen der Ausführungsplanung & Arbeitsvorbereitung
Bedingt durch eine Anpassung des Überbauquerschnittes wurde der ohnehin knappe Zeitrahmen unter der Berücksichtigung des Prüflaufs und der Sperrpause zusätzlich deutlich verkürzt. Der Fokus der Arbeitsvorbereitung lag auf der Anpassung des Bauablaufs an die Leitungssituation sowie generell auf der Sperrpausenvorbereitung.


2.    Werksfertigung Stahlbau
Die Werksfertigung des Stahlbaus begann im Dezember 2018 und dauerte bis ca. April 2019 an. Das Werk liegt im ca. 850 km entfernten Słupca zwischen Posen und Warschau in Polen.


3.     Einrichten der Baustelle
Insgesamt wurden auf beiden Seiten des Ruhrkanals ca. 18.800 m² zur Verfügung gestellte Ackerfläche mit Schottermaterial befestigt und ein Containerdorf errichtet. Auf Vorschlag von HWB wurde zudem eine Kabelhilfsbrücke für die bauzeitliche Kabelführung der sich in der Bahntrasse befindlichen Kabel errichtet.


4.    Herstellung der Kanalsicherung einschließlich Bohrpfählen
Der Bauablauf hinsichtlich des knappen Zeitfensters in der Sperrpause sah eine Herstellung der Widerlager vorab seitlich der Trasse und einen Verschub dieser während der Sperrpause vor. Für das westliche Widerlager war aufgrund räumlicher Gegebenheiten sowie zweier Gas- und einer Ölleitung die Herstellfläche genau über dem Hauptabwassersammler der Stadt Duisburg alternativlos. Aufgrund des hohen Eigengewichts des Widerlagers (ca. 800 to) musste ein Stahlbetondeckel einschl. zweier tangierender Bohrpfahlwände zur Lasteinleitung vorbei am Kanal in tiefere Baugrundschichten gebaut werden.


5.     Baustellenmontage des Stahlüberbaus
Für die Baustellenmontage der neuen Brücke wurden zunächst ca. 750 Tonnen Stahlbeton in Form von 20 Einzelfundamenten für das Traggerüst hergestellt. Ab April wurden die einzelnen Bauteile mittels Schwerlasttransporten auf die Baustelle geliefert und dort gerichtet, verschlossert, verschweißt sowie der restliche Korrosionsschutz aufgebracht. Dabei wurde die komplette Brücke eingerüstet und eingehaust.


6.     Herstellung der Widerlager
Die Herstellung der Widerlager umfasste jeweils Fundamentplatte, Kammerbank- u. wand, Flügelwände, Kappen u. Abdichtungsarbeiten. Die Widerlager wurden jeweils in 4 Betonierabschnitten hergestellt und insgesamt wurden hierfür ca. 630 m³ Beton verbaut. Für den Verschub der Widerlager wurden in der Fundamentplatte Aussparungen für die Verschubbahnträger vorgesehen.


Ab hier Sperrpause


7.     Ausbau Oberleitungen und Gleise
Zu Beginn der Sperrpause wurden zunächst die vorhandenen Oberleitungen demontiert und anschließend die vorhandenen Gleisanlagen ausgebaut.


8.     Baugrubenaushub
Da die beiden Achsen der neuen Widerlager im Vergleich zum Bestand bauablaufbedingt jeweils um ca. 15 m nach hinten versetzt wurden (und die neue Brücke damit um ca. 30 m länger wurde), umfasste der Baugrubenaushub auch den Teilabtrag des alten Bahndamms. Insgesamt wurden in diesem Zuge ca. 4200 m³ Boden ausgehoben. Beide Baugruben wurden parallel mit 4 Kettenbaggern und 4 Radladern innerhalb von ca. 12 Stunden hergestellt. 


9.     Bohrpfahlherstellung in Form von Bodenaustauschbohrungen als Gründung
Als Gründungsvariante in Kombination mit dem Widerlagerverschub wurde ein vollflächiger Bodenaustausch in Form von unbewehrten Bohrpfählen aus Beton ausgeführt. Insgesamt mussten auf beiden Seiten einschl. Teilen der Verschubbahngründung jeweils ca. 100 Stk. ca. 8 m tiefe Bohrpfähle hergestellt werden. Diese Spezialtiefbauarbeiten lagen auf dem kritischen Weg der Sperrpause und konnten in Rekordzeit von ca. 5 Tagen (24-Stunden-Dreischichtbetrieb) bei insgesamt 4 parallel arbeitenden Bohrgeräten realisiert werden.


10.     Widerlagerverschub
Der Verschub der Widerlager wurden mittels Verschubbahnen aus Stahlträgern, Hydraulikpressen, Verschubschlitten und Litzenzügen in Kombination mit zwei Tandempressen realisiert. Das Verschubgewicht je Widerlager betrug ca. 800 to. Um die geforderten Maßtoleranzen für die Brückenachsen einzuhalten, wurden die Verschübe und insbesondere die Absetzvorgänge permanent von 2 Vermessern begleitet.


11.     Hinterfüllung der Widerlager
Insgesamt wurden ca. 2000 m³ Hinterfüllmaterial verbaut.


12.     Ausbau der alten Straßenbrücke
Die Bestandsbrücke war als 2-Feld-Brücke mit Mittelpfeiler und ohne Durchlaufwirkung konzipiert, so dass vereinfacht ausgedrückt 2 einzelne Brücken ausgebaut werden mussten. Das westliche und mit ca. 35 m kürzere Brückenfeld in Form eines Stahltrogs überspannte die L140 mit einem Eigengewicht von ca. 150 to und konnte als Ganzes ausgehoben werden. Hierzu wurde auf 2 miteinander gekoppelten SPMT-Modulen mit jeweils 6 Achsen ein Traggerüst installiert, wodurch die Brücke hochgedrückt und anschließend zum Verschrotten auf die Baustellenfläche gefahren werden konnte.


13.     Ausbau der alten Kanalbrücke
Das östliche ca. 75 m lange und ca. 450 to schwere Brückenfeld in Form einer Stahlfachwerkkonstruktion überspannte den Ruhrkanal. Für den Ausbau kam ein Ponton mit einem ca. 8 m hohen Traggerüst in Form von Stapelträgern zum Einsatz. Nachdem die alte Brücke aus den Lagern gehoben und auf dem Ponton heruntergestapelt war, wurde diese unter der A40 durch bis zum nächstgelegenen Anleger geschwommen und dort stückweise verschrottet.


14.     Abbruch Bestandswiderlager & -mittelpfeiler
Der Abbruch des östlichen Widerlagers sowie des Mittelpfeilers erfolgten in enger Abstimmung mit dem WSA und der Bezirksregierung aus Gründen des Hochwasserschutzes, da der Bestand vor ca. 100 Jahren in den Deich gebaut wurde. Nach erfolgtem Rückbau musste der Deich wiederhergestellt und an die neu konzipierte Örtlichkeit angepasst werden.


15.     Verschub der neuen Brücke
Der Verschub der neuen ca. 135 m langen, xa. 15 m hohen und ca. 1600 to schweren Brücke war ein besonderes Ereignis und eine große Herausforderung gleichermaßen. Der gesamte Verschubvorgang gliederte sich grob in 3 Phasen. Zunächst wurde die Brücke mittels SPMT’s (insgesamt 80 Achsen verteilt auf 16 Module und 2 Sets) in Längsrichtung bis über den Kanal verfahren. Dabei kragte ungefähr ein Drittel der Brücke über den Deich und das westliche Ufer. Auf dem Kanal kamen 2 Pontons mit Traggerüsten zum Einsatz, die wechselweise die Brücke längs über den Kanal bewegten. In der letzten Phase erfolgte der Querverschub in die Bahntrasse bzw. der Verschub in Richtung des Kanals und der Straße. Hierbei fuhren die SPMT’s auf der Straße und ein Ponton auf dem Kanal simultan bis sich die neue Brücke in Endlage befand und auf Stapelträgern abgesetzt werden konnte.


16.     Wiederherstellung der Gleise und Oberleitungen, Inbetriebnahme
Zu guter Letzt galt es die Gleis- und Oberleitungsanlagen wiederherzustellen. Besondere Herausforderung hierbei war der Einbau eines sogenannten Schienenauszugs. Aufgrund der außergewöhnlichen Länge der Brücke dehnt sich diese bei großen Temperaturschwankungen rechnerisch bis zu 12,8 cm aus. Der Schienenauszug kann die dabei auftretenden Spannungen der Schienen aufnehmen.


Ende der Sperrpause


17.     Rückbau Baubehelfe, Kabelverlegung, Geländermontage, Flächenwiederherstellung, Räumung
Nach der Inbetriebnahme der Brücke und dem Ende der Sperrpause mussten die gesamten Behelfsfundamente zurückgebaut, die Kabel in die Trasse zurückverlegt, kleinere Restarbeiten wie Geländer- oder Zaunmontagen ausgeführt und schließlich die beanspruchten Flächen vollständig wiederhergestellt werden.

Einige wichtige Zahlen zum Projekt im Überblick:

  •  Über 100 Transporte für Stahlbauteile, davon 40 Sonder-/Schwertransporte aus Polen
  •  Erdbewegungen von ca. 35.000 to
  •  Stützweite: 134m
  •  Konstruktionshöhe: 14,65m
  •  Konstruktionsbreite: 8,29m
  • Gewicht des Stahlüberbaus: ca. 1600 to (s.o.)


Erfahren Sie hier mehr über Heinrich Walter Bau und die SEH:
https://hwb.eiffage-infra.de/
https://www.seh-engineering.de/startseite/